Ein überaus informativer Nebeneffekt meiner derzeitigen
Bewerbungsgespräche sind die geschilderten Erfahrungen von Firmen im Umgang mit
dem Thema Social Media. Darüber berichtet dieser Artikel und gibt Tipps.
Twitter, Facebook, Google+ sind Auswahlkriterien für
meine Initiativbewerbungen
Die letzten Posts auf den Social Media-Accounts liegen zum
Teil vierzehn Monate und länger zurück. Veröffentlicht wurden die Posts in der
Vergangenheit nach dem Motto: Mal schnell ein Produktbild oder Logo hochgeladen und eine
kurze Anmoderation dazu geschrieben, wie beispielsweise:
- Das sind wir
- Besuchen Sie uns hier
- Das machen wir für Sie
Vielleicht wurde ergänzend noch ein Link auf die eigene
Webseite platziert – aber das war’s!
Die erhofften Reaktionen blieben natürlich aus oder
bestenfalls überschaubar. Auch Follower wollten sich nicht einstellen. Die Social
Media-Auftritte wurden nach einiger Zeit nicht mehr bewegt und damit sehr viel Potenzial mit Social Media-Aktivitäten verschenkt
Facebook, Twitter oder Google+ funktionieren für uns
nicht Herr Mersmann
Ein Satz der oft am Anfang meiner Bewerbungsgespräche steht.
Diese Aussage scheint durch die oben geschilderten Erfahrungen auf den ersten
Blick zwar logisch, ist nach meinen Erfahrungen jedoch nicht wahr.
„Warum nicht
wahr?“, werden Sie sich jetzt vermutlich fragen.
Ich antworte Ihnen darauf mit: Was früher die telefonische Kaltakquise war, ist heute
Social Media.
Sie halten das für eine gewagte, vielleicht sogar unhaltbare
These? Ich bin gespannt auf Ihre Ansicht nachdem Sie diesen Artikel gelesen haben. Verfolgen Sie bitte zunächst das Bewerbungsgespräch.
Warum Social Media-Aktivitäten oft erfolglos sind – und
wie es besser funktioniert
Ich überspringe die Begrüssungsfloskeln des telefonischen
Bewerbungsgesprächs und beginne mit der ersten Frage an meinen Ansprechpartner
und einem Hinweis zum Dialog selbst: AP = Ansprechpartner / JM = Jörg Mersmann
JM: Ich habe mir vor meinem Anruf natürlich Ihre
persönlichen als auch gewerblichen Auftritte auf Google+ und Facebook
angeschaut Frau S. Vor allem die gewerbliche Facebook-Seite hat nach vier
Jahren aktuell nur 108 Likes, was ja ein Grund unseres Telefonats ist. Dazu
eine Frage: Was glauben Sie, woran das liegen könnte?
AP: Das habe ich mich ganz ehrlich auch schon oft gefragt
Herr Mersmann. Ich vermute unsere Produkte ist nicht so interessant. Wir haben
schon so viel versucht … zum Beispiel posten wir zusätzlich über unsere
privaten Accounts Informationen zu unseren Produkten.
Ich hakte mit einer Zwischenfrage ein.
JM: Sie meinen, weil auf dem privaten Facebook-Konto
über 200 Freunde, und auf dem privaten Googleplus-Konto 360 Follower zu
verzeichnen sind, erreichen Sie so mehr Menschen und haben besseren Erfolg?
AP: Ja genau, allerdings …
JM: Lassen Sie mich raten Frau S. – Die privaten Auftritte
fanden schon nach kurzer Zeit weniger Beachtung?
Kurze Pause, dann …
AP: Ja stimmt. Woher wissen Sie das?
JM: Stellen Sie sich vor wir haben regelmässig, vielleicht
sogar täglichen Kontakt miteinander als private Personen. Und ich würde Ihnen
ständig nur Informationen über mein Geschäft aufzwingen. Wie würden Sie das
empfinden?
Ich schwieg nach meiner Frage und wartete ab - eine
eigene Erkenntnis ist immer nachhaltiger als blosse Informationsgebung.
AP: Ich verstehe was Sie sagen wollen Herr Mersmann. Eigenwerbung
im privaten Account sollte vermieden werden?
Damit stellte Frau S. eine Glaubensfrage zu der es
unterschiedliche Auffassungen gibt. Ich antwortete ihr gemäss meiner
persönlichen Erfahrungen.
JM: Grundsätzlich sollte der private Auftritt nicht für
(massive) Eigenwerbung des Gewerbes genutzt werden. Wobei natürlich an der
einen oder anderen Stelle, zum Beispiel wenn sich ein High-Light anbietet,
durchaus auch dies dezent erwähnt werden darf und soll. Aber grundsätzlich sind
die Follower, die sich entschieden Ihnen als Person zu folgen, an Ihrer Person
interessiert und weniger an Ihren Produkten.
Offensichtlich hatte ich jetzt die ganze Aufmerksamkeit
von Frau S., denn Sie schoss gleich die nächste Frage ab:
AP: Ich muss meine privaten Auftritte bei Facebook und Google+
also gar nicht viel bewegen? Dann hätten wir uns in der vergangenheit viel zu viel Arbeit
gemacht!
Sollte ich mich tiefer einlassen auf das Thema? Schliesslich sollte das Telefonat ein Bewerbungsgespräch werden,
stattdessen mutierte es einmal mehr zu einem Beratungsgespräch.
Ich entschloss mich dennoch diesen Punkt aufzugreifen.
JM: Nein Frau S., ganz im Gegenteil. Die
telefonische Kaltakquise lässt dem Anrufenden kaum Zeit Vertrauen gegenüber
seiner Person, Kompetenz und seinem Angebot aufzubauen. Ganz anders verhält es
sich heute mit dem Instrument Social Media.
Private Accounts nutzen Sie um Menschen für sich zu
interessieren. Man nimmt an Dialogen teil. Sie bemühen sich aber auch zu
erkennen welche Themen andere Menschen und Ihre bereits vorhandenen Follower / Freunde interessieren, und
posten oder teilen Informationen mit entsprechenden Inhalten.
Kurz: Geben Sie den Menschen Gelegenheit sich für Sie als
Mensch zu interessieren, Sie wahrzunehmen, zu schätzen und einzuschätzen. Das
schafft Vertrauen – so wie im richtigen Leben. Nicht vergessen: Wertschätzen
Sie Ihre Kontakte!
Im Grunde ist der Aufbau Ihrer privaten Social
Media-Accounts nichts anderes als ein permanenter Dialog der, wie im richtigen
Leben, freundschaftliche und vertrauensvolle Verbindungen schafft und darauf
aufbaut.
Frau S. unterbrach meinen Redefluss
AP: Entschuldigen Sie Herr Mersmann wenn ich kurz nachfrage.
Das klingt so als müsse man den ganzen Tag online sein … das würden wir nicht
einmal zu dritt schaffen.
Zu dritt schaffen? Warum zu dritt??Ich hatte einen
Verdacht und beschloss etwas später nachzufassen.
JM: Sie müssen nicht den ganzen Tag online sein Frau S. Doch
macht es schon Sinn das Geschehen, vor allem die Reaktionen auf Ihre Posts,
zeitnah im Auge zu behalten. Allerdings stellen sich bei höherer Intensität
Erfolge schneller ein. Ich antworte darauf gleich ausführlicher, würde
aber zunächst gern unseren ursprünglichen Gedanken zu Ende bringen.
Sie werden feststellen, dass die Zahl der "privaten" Follower bzw.
Freunde bei Facebook oder Google+ zusehends wächst. Und dieses Potenzial nutzen
Sie im nächsten Schritt für die gewerblichen Auftritte. Denn da man Sie schon
eine Weile kennt und als sympathisch einschätzt entsteht nicht der Eindruck Sie
wollen nur etwas verkaufen.
An der Stelle wechselte ich das Thema mit einer Frage,
denn ich wollte meinem Verdacht nachgehen.
JM: Aber Sie sprechen immer von „wir“ oder von “zu dritt
schaffen“ Frau S. Heisst das, Sie bedienen die vorhandenen Social
Media-Auftritte mit mehreren Personen?
AP: Das ist richtig Herr Mersmann. Zu Anfang habe ich das
noch allein bewerkstelligt, doch wurde mir der Zeitaufwand zu gross. Mein Sohn
und ein Auszubildender übernehmen darum jetzt den grössten Teil dieser Aufgabe.
Dachte ich es mir doch … Wenn mein Gefühl mich nicht
täuschte war jede weitere Gesprächsminute verschwendet. Also den Sack zugemacht
mit einer geschlossenen Frage.
JM: Ich verstehe Frau S. Ursprünglicher Grund meiner
Kontaktaufnahme war die Ergebnisse Ihrer gemeinschaftlichen Bemühungen die ich
im Netz entdeckt habe. Eingangs unseres Gesprächs bestätigten Sie mir Ihren
Wunsch in Google-Suchergebnissen besser sichtbar sein und vermehrt über
Facebook verkaufen zu wollen.
Ich habe Ihnen jetzt erste Tipps gegeben, erkannte Defizite
genannt und Lösungsansätze aufgezeigt. Wie schätzen Sie auf den ersten Eindruck
meine Fähigkeiten ein, diese Aufgaben als zukünftiger Mitarbeiter für Sie erfolgreich
realisieren zu können?
AP: Also Herr Mersmann, ich bedanke mich erst einmal für
Ihre Zeit und die wertvollen Informationen, aber … ich denke wir versuchen es mit
weiter so wie bisher, aber mit Ihren Tipps ... …
Ja neee, is klar! Also war mein Verdacht begründet. Aber
gut, einen Versuch starte ich noch!
JM: Das ist kein Problem und ich respektiere
selbstverständlich Ihre Entscheidung Frau S. Gestatten Sie mir bitte eine Frage
zum besseren Verständnis. Mit “Wir versuchen es weiter wie bísher“ meinen Sie
sich, Ihren Sohn und den Auszubildenden?
AP: Ja, ich denke wir werden uns die Social Media-Arbeit weiter
teilen Herr Mersmann.
Also gut, volles Risiko! Wer nichts mehr zu verlieren
hat, der kann nur noch gewinnen.
JM: Dann meine letzte Frage Frau S. Angenommen Sie können
Kontakt zu einem potenziellen und guten Umsatz versprechenden Kunden bekommen.
Es geht also um Verhandlungs- und Darstellungsgeschick. Würden eher SIE das Gespräch
führen - oder es Ihrem Azubi oder Sohn überlassen?
Ich bat Frau Frau S. über diese Frage nachzudenken und
verabschiedete mich höflich aus diesem Bewerbungsgespräch. Sie wird zukünftig
nicht erfolgreicher sein als bisher, da bin ich sicher - trotz der von mir
erhaltenen Tipps. Denn was Frau S. nicht weisss …
Betraue kein Kind mit einer Aufgabe die eines Erwachsenen
bedarf
Ich
vergleiche dieses "Tipps einsammeln und dann selber versuchen" immer
gerne mit dem Bau eines Hauses. Man bekommt von überall ein paar
Zutaten: Der eine gibt einen Ziegelstein, der nächste ein paar Bretter,
der nächste einen Ballen Stroh usw. usw.
Man wird aus
diesen Utensilien sicherlich irgendetwas zusammenzimmern können, in dem
man vielleicht auch irgendwie wohnen kann. Aber ein stabiles Haus, in
das es nicht reinregnet, wird es sicher nicht.
Ich bin wieder bei der hohen Affinität zwischen
der früheren telefonischen Kaltakquise und heutigen Social Media-Aktivitäten.
Mit meiner abschliessenden Frage an Frau S. sprach ich ein
scheinbar weit verbreitetes Problem an. Betriebe haben noch nicht erkannt
welche Möglichkeiten sich auftun, sofern Social Media-Aktivitäten von Menschen
mit geeigneten Fähigkeiten ausgeführt werden.
Wie schon früher in der Telefonakquise gehören dazu auch in
der geschriebenen Kommunikation
- ein guter Schuss Empathie
- viel Lebenserfahrung
- breites Allgemeinwissen
- sichere Rhetorik
- aufmerksam Zuhören können
Es nutzen die ausgefeiltesten Techniken, und das beste
Wissen um diese Techniken nichts, wenn man als Mensch im Dialog mit Menschen
nicht angemessen auf die vielen unterschiedlichen Charaktere, Bedürfnisse,
Erwartungen und vieles mehr zu reagieren versteht.
Ein letzter Tipp – Würden Sie sich für ein Buch ohne
Titel interessieren?
Genau dieser Effekt tritt nämlich auf wenn gewerbliche
Social Media-Seiten nur einen Link ohne begleitende Zeilen zu dessen Inhalt
posten. Das wirkt unprofessionell. Solche Post
werden nur selten geteilt und schlimmer noch – es kann der Eindruck
entstehen der Verantwortliche weiss nichts zu erzählen zu seinem ureigensten
Kernthema oder Produkt. Vielleicht mangelt es sogar an Fachkompetenz?
Mein Tipp für die Anmoderation zu gewerblichen Posts: Sie
haben sicher tausende Kundengespräche zu ihrem Produkt geführt. Öffnen Sie
diese Schatztruhe Ihrer Erfahrungen. Erinnern Sie sich an Fragen, Bedenken,
positive Rückmeldungen, Vorteile, technische Finessen usw. zu diesem Produkt,
und bringen diese als Inhaltsvorschau in die Anmoderation ein.
Ich bin gespannt ob Frau S. noch mal mit
mir Kontakt aufnimmt.
Was glauben Sie?
Mit besten Grüssen
Jörg Mersmann